27.

Nichts von deiner Lage schriebst du,

Während mancher Tag schon schwand;

Wär' ein Trauter hier, ich hätte

Manche Nachricht schon gesandt.

Nein, an meinem hohen Ziele

Lange nimmermehr ich an,

Tritt nicht deine Huld entgegen

Manchen Schritt mir auf der Bahn.

Kam das Weinfass in die Krüge

Und erschloss die Rose sich,

Dann geniess' der Lust und labe

An so manchem Glase dich!

Kandel ist, vermengt mit Rosen,

Für mein Herz nicht Arzenei:

Menge lieber manche Küsse

Manchem zarten Vorwurf bei!

Eile, Frömmler, dich zu retten

Aus der Zechgesellen Kreis:

Denn der Umgang mancher Bösen

Gibt dich der Verwüstung Preis.

Von des Weines Schande sprachst du,

Sprich nun auch von seinem Ruhm

Und verbanne nicht die Weisheit,

Bät' auch mancher Nied're d'rum.

O Ihr Bettler an der Schenke!

Gott ja habt zum Freunde Ihr:

Darum sollt Ihr nicht auf Gnade

Hoffen bei so manchem Thier.

Wie so schön der Greis der Schenke

Zu dem Hefetrinker spricht:

»Sprich von dem verbrannten Herzen

Mit so manchen Rohen nicht!«

Lust nach deiner Sonnenwange

Hat Hafisen ganz verbrannt;

Blick', o Glücklicher, auf Manchen,

Der nur Unglück hat gekannt!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 371-373.
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